Warum arbeiten wir am

 

„Wildgetreide“ Dasypyrum villosum?

 

Wildgetreide Dasypyrum villosum Versuchsparzelle
Versuchsparzelle
Blick vom Karadag auf die Bucht von Koktebel. Dasypyrum rechts im Vordergrund.
Blick vom Karadag auf die Bucht von Koktebel. Dasypyrum rechts im Vordergrund.
Die einzelnen Ährchen werden von oben nach unten aktiv abgeworfen, wenn das Korn reif wird.
Die einzelnen Ährchen werden von oben nach unten aktiv abgeworfen, wenn das Korn reif wird.
Wenn die Ähren anfangen auseinanderzufallen, wird das Feld gemäht. So kann das Korn mit Petrus‘ Hilfe drei Tage nachreifen, bevor der Mähdrescher kommt.
Wenn die Ähren anfangen auseinanderzufallen, wird das Feld gemäht. So kann das Korn mit Petrus‘ Hilfe drei Tage nachreifen, bevor der Mähdrescher kommt.

1922, schon vor gut 100 Jahren entstand in Gesprächen zwischen Rudolf Steiner und Ernst Stegemann der Impuls, aus Wildpflanzen neue Kulturpflanzen zu entwickeln. Rudolf Steiner hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass die Nahrungsqualität der alten Kulturpflanzen nachlässt und weiter nachlassen wird. Man musste befürchten, dass schon zum Ende des abgelaufenen Jahrhunderts die Pflanzen so degeneriert sein würden, dass sie den Menschen nicht mehr umfassend ernähren können.

 

Die Antwort auf die nachlassende Qualität ist einerseits die biologisch-dynamische Landwirtschaft selbst, und in neuerer Zeit das Bemühen, in der biologisch-dynamischen Züchtung die Nahrungsqualität in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen. Noch weitergehend ist das Bemühen, „ursprüngliche“ Qualitäten der Wildpflanzen zu nutzen. Als Erster versuchte Ernst Stegemann, Gräser für eine Weiterentwicklung zu bearbeiten. Er betraute Brunhild Erika Windeck mit dieser Aufgabe. Dieser Impuls ist weiter getragen worden von verschiedenen Menschen, z.B. in den dreißiger Jahren durch Erika Riese im Garten des Goetheanum. Zum Schluss hatte Ilsabe Mutzenbecher diese Gräsersammlung übernommen und noch in den neunziger Jahren daran gearbeitet.1

Zu dieser Zeit wurde auch am Keyserlingk-Institut damit begonnen, Gräser in Kultur zu nehmen, anfangs die Roggentrespe und die Dicke Trespe (Bromus secalinus und B. grossus). Bei einer Reise von Elisabeth Beringer und Bertold Heyden auf die Krim begegneten sie in der Bucht von Koktebel am Fuße des Karadag einem gerade blühenden „wilden Weizen“ und brachten einige Exemplare davon mit zurück. Bald wussten wir, – nach der Bestimmung der Pflanze von Uwe Mos in der Flora Europaea – dass es sich um Dasypyrum villosum, eine Grasart aus der Tribus der Triticeae handelt, also einer Pflanze, die so wie Gerste oder Roggen weitläufig mit Weizen verwandt ist.

 

Sammelreisen nach Sardinien und nochmal auf die Krim2 sowie einzelne Funde

in Italien führten zu einer größeren Vielfalt von Wuchstypen, die mehr oder weniger gut unterscheidbar waren. Nach der ersten Vermehrung einiger Varianten und der Aussaat auf Versuchsparzellen am Lichthof konnten wir feststellen: für die Ernährung ist das „Wildgetreide“ Dasypyrum villosum schon perfekt. Die Körner liefern ein angenehm riechendes Mehl, das mit seinem relativ hohen Eiweiß- und Klebergehalt wie Weizen gut backfähig ist. Wichtiger war jedoch, dass sich bei der Untersuchung des Korns durch Dorian Schmidt mit seiner Methode der Bildekräfteforschung3 zeigte, dass die Pflanze Kräfte für die Ernährung liefert, die das menschliche Ich in seiner geistigen Entwicklung unterstützen.

 

Durch diese Untersuchungen bekamen wir auch Hinweise dafür, mit welchen Dasypyrum-Varianten die Arbeit fortgesetzt werden sollte. Bei Anbau und Ernte ist jedoch der Weg noch weit bis zu einem Kulturgetreide im bisherigen Sinn, denn Dasypyrum villosum ist nicht spindelfest; es samt sich also selber aus. Inzwischen wurde am Lichthof aber eine brauchbare Erntemethode ausgearbeitet, und das Entspelzen wurde gelöst mit einer extra dafür entwickelten Maschine4.

 

Wie zu erwarten war, ist auch der Ertrag bei recht hohem Arbeitsaufwand noch relativ weit entfernt von dem eines herkömmlichen Kulturgetreides. Trotzdem ist die qualitative Bewertung durch die Bildekräfteforschung so gut, dass es sich lohnen würde, Gebäck oder Teigwaren mit wenigstens einem geringen Anteil (5-10 %) Dasypyrum herzustellen.5

 

Die Produktentwicklung ist noch nicht weit vorangeschritten, weil Dasypyrum villosum als „neuartiges Lebensmittel“ erst bei der Europäischen Kommission zugelassen werden muss, damit Produkte daraus frei verkäuflich sein dürfen.

Nach menschlichem Ermessen ist ein weizenverwandtes Gras

aber nicht gesundheitsschädlich. Wir hoffen deshalb, dass das Wildgetreide Dasypyrum villosum innerhalb des Vereins eine gewisse Verbreitung finden kann, und dass auch Produkte dort angeboten werden können.

 

Wir freuen uns also auf Menschen, die sich an dem Verein „Initiative für

neue Kulturpflanzen e.V.“ beteiligen, so dass der Anbau intensiviert werden könnte, und es sich lohnt, mit einer Produktentwicklung zu beginnen.

 

Bertold Heyden

im September 2022



1 Die Geschichte der ‚Wildgrasveredlung‘ wurde zusammengetragen von Uwe Mos: „Die

Wildgrasveredlung – Rudolf Steiners Impuls in der Pflanzenzucht“, 2. Auflage Dornach 2022

2 Siehe den Beitrag 'Koktebel' von E. Beringer, der Bericht von der Sammelreise 2005 im Südosten der Krim.

3 Gesellschaft für Bildekräfteforschung e.V., siehe: www.bildekraefte.de

4 Die Funktionsweise dieser Maschine ist zu finden unter: www.saatgut-forschung.de/bilder/

entspelzung-dasypyrum/

4 Weitere Literatur zum Projekt Dasypyrum villosum: Lebendige Erde 4/2013 und in den Mitteilungsheften

des Keyserlingk-Instituts Nr.17, 18, 20, 22 und 23. Siehe: www.saatgut-forschung.de/

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